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07.04.2021, 14:43 Uhr | Claudio Jupe MdA
Zum 90. Geburtstag von Michail Gorbatschow - Was die Welt Gorbatschow und Kohl zu verdanken hat

Kürzlich war Michael Gorbatschow zu seinen 90. Geburtstag zu gratulieren. Nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt hat dem letzten Staatschef der UdSSR sehr viel zu verdanken. Umso bedauerlicher ist, es zu erleben, wie seine großen Leistungen schon heute mancherorts vergessen und verkannt sind.

Gorbatschows Verdienste liegen nicht nur in seinem Anteil zur deutschen Wiedervereinigung. Vor allem leistete er ausschlaggebende Beiträge zum Weltfrieden. Von Michail Gorbatschow gingen essentielle  Anstöße zum Beilegen des Kalten Krieges und zur Reform und Demokratisierung des Ostblocks aus.  Die Prinzipien und Maximen seiner Politik bleiben nach wie vor gültig. Gorbatschow zählt zu denen, die erkannten und beherzigten, dass es keine Entspannung, keinen Vertrauensaufbau ohne Dialog geben kann – weder im Kalten Krieg, noch in der heutigen Zeit, die oft als Beginn eines neuen Kalten Krieges bezeichnet wird.

Schon vor fast 4 Jahren mahnte Gorbatschow, in einem Nachruf  an den verstorbenen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl, die heutigen Politiker eindringlich an, sich Kohl zum Vorbild zu nehmen. Helmut Kohl war neben Gorbatschow ein bedeutsamer Architekt eines freien Europas. Der ehemalige Staatschef der UdSSR lobte dessen „Fähigkeit, auf Partner einzugehen, seine Erfahrung, wie man von Feindschaft übergeht zu Kooperation und Vertrauen". Kohl sah die Einheit Deutschlands durchweg in einem Zusammenhang mit einer Einigung Europas in Freiheit. Der freie und grenzüberschreitende Verkehr von Menschen, Waren, Diensten und Kapital in Europa war es mit dem die Feindseligkeiten und Geister der Vergangenheit endlich gebannt werden konnten. Dieses war und ist eine schwierige Arbeit, die mit Sicherheit immer noch nicht beendet ist.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht Kohl den Verdienst zu „der Repräsentant eines Deutschlands [zu sein], das versucht, aus Ruinen ein Ideal zu schaffen“ und dieses Ideal mit Realitätssinn vereinte. Der ehemalige Staatspräsident Israels Shimon Peres würdigte Kohl schon zuvor als „Brückenbauer mit unvergleichlichen Errungenschaften“.

Wo Gorbatschows drei direkte Vorgänger, nämlich Breschnew, Andropow und Tschernenko, versuchten den internen Problemen der UdSSR zu begegnen, indem sie mit militärischer Aufrüstung und nuklearem Säbelrasseln für Ablenkung sorgten - Parallelen im gegenwärtigen Russland drängen sich bedenklich auf - ging Gorbatschow einen anderen Weg.  Er schlug eine eindeutige Kehrtwende von diesem irrsinnigen und gefährlichen Irrweg ein und nahm die Verhandlungen mit den USA um Abrüstung wieder auf. Im Inneren, wirtschaftlich wie politisch, setzte sich der spätere Friedensnobelpreisträger für Eigeninitiative und –verantwortung und Kritikfähigkeit ein. Im Rahmen der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) im November 1990 prägte Gorbatschow den berühmt gewordenen Begriff eines „gemeinsamen Haus Europa“, in dem alle Staaten gleiche Rechte genießen und Verantwortungen tragen sollten.

Anfänglich waren Helmut Kohl und Michail Gorbatschow klare Gegner, Kohl artikulierte ein –berechtigtes - Misstrauen. Doch Ende der 1980er wurden aus den vormaligen Gegnern Mitstreiter um eine stabile Friedensordnung und Freiheit. Noch später wurden beide (ehemalige) Staatsmänner sogar zu persönlichen Freunden!

Viele Erkenntnisse dieser beiden Staatsmänner gilt es auch in Gegenwart und Zukunft zu beherzigen.