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20.05.2020, 15:08 Uhr | Claudio Jupe MdA
Europas Weg in die Zukunft
Europas Pandemie hat es an den Tag gebracht: Anlässe gab es genug. Es wurde jedoch zu wenig getan und zu viel unterlassen. Das gilt besonders für den Forschungsbereich.

Für den Forschungsbereich sind nach gegenwärtigem Stand im Haushalt Deutschlands folgende Mittel vorgesehen: Der Etat für Bildung und Forschung liegt bei rund 18,3 Mia. Euro. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte scharf kritisiert, dass zunächst signifikant geringere Mittel vorgesehen waren.

Mehr als 6,7 Mia. Euro sollen direkt in die institutionelle Forschungsförderung fließen. Insgesamt arbeiten in Deutschland rund 300.000 Wissenschaftler an öffentlich geförderten Forschungsprojekten.

Jährlich werden jeweils über 80 Milliarden Euro für öffentlich geförderte
Forschung und Entwicklung ausgegeben. Der Umfang des Bereichs Forschung in der EU kann wie folgt skizziert werden:

Das aktuelle, nunmehr achte Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ weist ein Gesamtvolumen von knapp 80 Mio. Euro aus. Von EUREKA, einem grenzüberschreitenden Forschungsnetzwerk, dem mehr als 40 Länder (darunter auch Nicht-EU-Staaten wie Israel und die Ukraine) sowie die Europäische Kommission angehören, profitieren vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Ebenso fördert die „Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet wissenschaftlicher und technischer Forschung“ (COST) die internationale Koordination und Vernetzung von Forschungsaktivitäten.

Des Weiteren bestehen zahlreiche weitere europäische Förderprogramme, darunter u. a. „Creative Europe“, zuständig für die audiovisuelle Branche und „Jean Monet“, ein Programm zur Stützung derjenigen Lehre und Forschung, die in Verbindung zu EU-Studien stehen. EU-Fördergelder machen derzeit einen wichtigen Anteil der Drittmittel an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus und garantieren oftmals eine langfristige Planungssicherheit.

Dennoch: Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Europäischen Union betragen bei sehr unterschiedlichen Beiträgen der einzelnen Mitgliedsländer kaum mehr als 2 % wobei Maßstab das jeweilige Bruttoinlandsprodukt ist.

Da möchte man einzelnen Stimmen beipflichten, wenn diese fordern, auch eine beherztere Förderung der Corona-Forschung vorzunehmen. Aber nicht nur hinsichtlich der Corona-Forschung, sondern im Hinblick auf den Bereich Forschung insgesamt.

Eine offenkundige Tatsache ist, dass intensivere Grundlagenforschung an Viren der Corona-Familie nach dem Auftreten von SARS und MERS zumindest das Potential gehabt hätte, wertvolle Erkenntnisse und Zeitvorteile im Kampf gegen die derzeitige Pandemie zu liefern.

Die Bedeutung einzelner Volkswirtschaften oder auch eines ganzen größeren Raumes basiert auf dem erforschten und erreichten Fortschritt. Das deutsche Bundesforschungsministerium hat inzwischen die Vertiefung des Forschungsraumes zu einem seiner Schwerpunkte - insbesondere für die kommende deutsche Ratspräsidentschaft ab 01.07.2020 – erklärt.

Ein Hoffnungsschimmer könnte dabei sein, dass die Kommissionspräsidentin Frau von der Leyen in einer schriftlichen Zielvorgabe gegenüber der für die Forschung zuständigen Kommissarin von der Schaffung eines europäischen Forschungsraumes gesprochen hat. Betrachtet man die globale Lage, fällt sogleich ins Auge, dass China inzwischen schon auf Platz 2 der Rangfolge steht.

Die USA, die daraus auch im Wesentlichen ihr politisches und wirtschaftliches Gewicht herleiten, führen global gesehen weit vorne – abzulesen an den wertvollsten Unternehmen der Welt (Apple, Microsoft, Amazon etc.). Auch China ist unter den 10 teuersten Konzernen vertreten; Europa jedoch gar nicht!

Der ehemalige EU-Kommissar Öttinger hat vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass nicht einmal das frühere Ziel der Europäischen Gemeinschaft, nämlich 3 % der wirtschaftlichen Gesamtleistung in Forschung, Entwicklung und Innovation zu investieren, erreicht worden ist.

Nun gibt es sehr viel aufregendere politische Themen (Arbeitsplätze, Migration, Verteidigung, etc.), ganz abgesehen von aktuellen Entwicklungen wie der Corona-Pandemie. Dennoch ist das ausgegebene Ziel der Europäischen Union, zumindest ca. 3 % der wirtschaftlichen Gesamtleistung in die europäische Forschung zu investieren, gerade nicht zu vernachlässigen, sondern weiter zu verfolgen.

Würde Europa den Anschluss in einer globalisierten Welt verpassen und zurückfallen, kann dies nicht im Sinne der Europäer sein, weil damit vielerlei Nachteile und vor allem unerwünschte Abhängigkeiten verbunden wären.

Einer derjenigen, die für Forschung und Fortschritt innerhalb der EU kämpfen, ist der Europaabgeordnete Axel Voss (CDU), der sich in Wort und Tat intensiv mit dem Thema „Digitalpolitik“ – ein Teilbereich der Forschung - auseinandersetzt (er hat dies auch aufgeschrieben, siehe das für die Europäische Kommission hergestellte Manifest von Axel Voss2). Voss hat jedenfalls analysiert, wo die EU mit ihren finanziellen und tatsächlichen Mitteln steht und ob sie in bestimmten Bereichen mithalten kann.

Eine andere Thematik ergibt sich klar aus der oben schon erwähnten gegenwärtigen Krise durch die Corona-Pandemie. Schon im Zeitraum 2010 und 2015 gab es ein erheblich vorangeschrittenes Wissen im Bereich der Wissenschaft über die ebenfalls hoch ansteckende SARS-Epidemie. Dieses wurde seinerzeit aber nicht oder nicht ausreichend vertieft. Schon aus den Erfahrungen mit dem SARS-Virus und aus den seinerzeitigen Problemen mit dem SARS-Virus hätte eine Handlungsanleitung für Notfallpläne entworfen werden können. Dies erfolgte jedoch nicht.

Ausgerechnet in diesem Bereich wurden Innovation und Forschung gerade nicht hochgehalten. Für Deutschland und die Europäische Union insgesamt ist es erforderlich, einen Weg in die Zukunft einzuschlagen, der wirtschaftliche Souveränität bietet. Es besteht ein globaler Wettbewerb zwischen den großen globalen Räumen. Europa sollte aber seine Eigenständigkeit nicht nur bewahren, sondern ausbauen. Dazu bedarf es einer soliden Grundlage gerade im Forschungsbereich. Es ist daher notwendig, die Politik für Wissenschaft und Forschung zu stärken und hierfür ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen. Es geht darum, dass Europa den technologischen Anschluss an die derzeit führenden Kräfte (China und USA) nicht verliert!

An Folgendes darf ich erinnern: Es ist bereits 20 Jahre her, dass die Staatsund Regierungschefs der EU-Staaten beschlossen die EU zum wettbewerbsfähigsten und wissens- und forschungsgestützten Wirtschaftsraum der Welt auszubauen. Den Kernpunkt bildete die Übereinkunft, dass drei Prozent des BSP in Forschung, Entwicklung und Innovation investiert werden müssten. Im Jahr 2010 wurde diese Zielsetzung mit dem Programm „Europa 2020“ nochmals bekräftigt. Im Gegensatz dazu wurde das bereits genannte 3 %-Ziel nur von vier Staaten (Schweden, Dänemark, Österreich und Deutschland) jeweils erreicht. Der europäische Durchschnitt liegt bei nur ca. 2 % derzeit. Im Vergleich dazu lauten die Zahlen für die USA 2,3 % des BSP, für China 2,2 % des BSP (mit steigender Tendenz) und in Südkorea nach dem Stand 2016 deutlich mehr als 4 %.

Es ist daher ausdrücklich die Forderung zu erheben, dass die Europäische Union das Ziel, 3 % der jeweiligen wirtschaftlichen Gesamtleistung in Forschung, Entwicklung und Innovation zu investieren, erreichen muss, um damit Europas Weg in die Zukunft offensiv zu beschreiten.